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Bundesregierung beschließt: Falken müssen hungern

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Die Bundesregierung hat verboten, männliche Küken aus der Legehennen Produktion zu töten. Die Regierung brüstet sich mit einem Mehr an Tierwohl, tatsächlich bringt das Gesetz viele Probleme mit sich. Denn Küken sind ein wichtiges und günstiges Futtermittel für viele Tiere. Die Küken sind dadurch teuer geworden und gute Alternativen für Zoos gibt es kaum.

Hintergründe >

Die Falken haben Hunger

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Rotmilan frisst Futterküken auf einem Lederhandschuh

Der 39-jährige Falkner Hans-Peter Herrmann betreibt seit 10 Jahren seine Falknerei in Plauen im Vogtland. Mit mehr als 60 Greifvögel ist es die größte Falknerei Ostdeutschlands. Mit einem Lederhut auf dem Kopf und einem weißen Plastikeimer in der Hand kommt Hans-Peter Herrmann von der Fütterrungsrunde zurück. In seinem im Ranch-Stil gehaltenem Büro ist es spartanisch, aber gemütlich eingerichtet, mit allem was man braucht. Die Wände sind mit gold-gelben OSB-Platten verkleidet. Daran hängen unzählige Fotos von Greifvögeln. Auf der Fensterbank steht eine große Vase mit Federn. Er lässt sich auf den schwarzen Drehsessel aus Leder an seinem Schreibtisch sinken. Auf dem weißen Tisch liegt ein Aktenordner. Nachdenklich blättert der Falkner darin. In dem Ordner befinden sich die Rechnungen des Futterlieferanten der letzten Monate. Seit einem Jahr ist der Preis für Futterküken kontinuierlich gestiegen. Mittlerweile kosten sie mehr als das doppelte, als noch vor einem Jahr, sagt er. Seit dem Verbot des Kükentötens, Anfang Januar ist der Preis nochmal stark angestiegen. Früher kamen die gefrorenen Küken direkt aus deutschen Brütereien, jetzt müssen sie importiert werden.

Hühnerzucht

Die Küken als Futtermittel für Tiere stammen aus der industriellen Hühnerzucht. Bei der Produktion von Legehennen schlüpfen sowohl weibliche als auch männliche Küken. Die männlichen Küken werden kurz nach der Geburt getötet, weil sie keine Eier legen und nicht zur Mast verwendet werden können. Die Legehühner, welche speziell darauf gezüchtet sind, viele Eier zu legen, setzen dafür aber kaum Fleisch an. Masthühner sind darauf gezüchtet worden, viel Muskelfleisch anzusetzen, legen aber dafür deutlich weniger Eier. Seit dem 1. Januar 2022 ist es in Deutschland verboten, Küken zu töten.

Ein Händler für alle

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Geschlossener 10 kg Karton mit Eintagsküken

Viele Tierfutterhändler haben deshalb nun Schwierigkeiten, ausreichend Küken für den Verkauf zu beschaffen. Auch einer der größten Tierfutterhändler, die intipa GmbH ZOO ANIMAL FOOD (ehemals Michael Hassel Internationale Tierparkversorgung) aus Süddeutschland, hat Probleme. Die intipa GmbH versorgt eigenen großen Teil der Zoos, Wildparks und Falknereien in Deutschland mit Futtermitteln. Bereits im August 2021 veröffentlichte die intipa GmbH eine Mitteilung auf ihrer Website, dass sichdie Preise für die Eintagsküken verdoppeln werden und auch in naher Zukunft müsse mit einem weiteren „enormen Ansteigen“ gerechnet werden, da das Angebot nicht mehr vorhanden sei. Die intipa GmbH müssen nun alle verfügbaren Küken verschiedener Geflügelarten für die Verwendung als Tierfutter heranziehen. Infolgedessen könne es vorkommen, dass die Küken manchmal nicht die optische Qualität haben, wie bisher, so das Unternehmen. Für die Tierhalter heißt das konkret: doppelter Preis für schlechtere Qualität der Eintagsküken.

Die Politik

Der Grund für das Dilemma ist eine Änderung des Tierschutzgesetzes. Für diese Änderung machte sich die damalige Regierung aus CDU/CSU und der SPD unter der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner stark. Hinzu kam ein Antrag der FDP Fraktion, der sich für ein europaweites Verbot des Kükentötens einsetzt, um zu verhindern, dass Brütereien in andere Länder abwandern. Sowie ein Antrag der LINKEN Bundestagsfraktion zur Förderung der Aufzucht von männlichen Küken.

Die Regierung und der Experte

Es ist der 3. Mai 2021 um 14:00 Uhr in Berlin. Der Ausschuss für Ernährung und Landwirtschaft hat eine öffentliche Anhörung zum Gesetzentwurf Verbot des Kükentötens ab Januar 2022 im Paul-Löbe-Haus. Fachpolitiker für Landwirtschaft aus den Bundestagsfraktionen sitzen an einem großen, runden Tisch. Online sind weitere Politiker und Experten zum Thema zugeschalten.
Es folgen dreiminütige Statements der Experten. Unter andrem von Vertreterinnen und Vertreter der Gallicon Geflügelberatung, dem Deutschen Tierschutzbund und dem Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft.
Auch der Tierarzt und Kurator Dr. Dominik Fischer vom Grünen Zoo Wuppertal kommt zu Wort. Er spricht für den Verband der Zoologischen Gärten. Dr. Dominik Fischer erklärt, dass eine Tötung von Tieren aus „rein ökonomischen Gründen“ nicht vertretbar sei.
Anschließend spricht er über die Bedeutung von Eintagsküken als Nahrung von vogelfressenden Tierarten. Zu diesen Tieren zählen unter anderem Greifvögel, Reptilien, Erdmännchen und Katzen. Er stellt klar, dass jeder Halter von Tieren dazu verpflichtet ist, diese artgerecht zu halten und zu füttern. Folglich können Zoos, Falknereien, Tierparks, Wildparks oder Tierkliniken nicht einfach auf Küken verzichten.
Er zeigt verschiedene Gründe auf, warum Küken ein optimales Futtermittel seien. Eintagsküken seien als Nahrung gut verdaulich und haben eine besonders gute Nährstoffzusammensetzung. Um einen identischen Energiegehalt von Eintagsküken über Mäuse zu bekommen, müssen Mäuse etwa 3 Monate lang aufgezogen werden. Das verursacht zusätzliche Kosten. Eintagsküken haben diese Nährwerte bereits am ersten Tag nach dem Schlupf. Für Greifvögel und Eulen ist es wichtig, dass die Nahrung auch wenig- oder nicht-verdauliche Strukturen wie Federn, Haare, Knochen, Sehnen und Horn enthalten, damit sie ihr Gewölle gut bilden können. Außerdem ist die Verfütterung besonders hygienisch. Zudem sind sie ein günstiges Futtermittel. Dr. Dominik Fischer schlug die Ausnahmen des Tötungsverbotes für Futterküken vor.

Nackte Zahlen in Deutschland

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Statistik nach Dr. Fischer und dem VDZ

Nach der Zusammenstellung von Dr. Dominik Fischer werden jährlich etwa 31 Millionen Futterküken in Deutschland benötigt. Davon entfallen 19,6 Millionen auf zoologische Einrichtungen, 9,4 Millionen auf Falknereien, 1 Million auf Auffang- und Pflegestationen und 0,68 Millionen Eintagsküken für den Zoofachhandel. Der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft gibt an, dass jährlich etwa 32 Millionen weibliche Legehennenküken ausgebrütet werden. Somit ergibt sich eine Zahl von 32 Millionen männlicher Küken bei einem Geschlechterverhältnis von etwa 1:1, die getötet werden.

Wir wollen es!

Die SPD Politikern Susanne Mittag entgegnete während der Expertenanhörung im Bundestag, dass ihr bei der hohen Zahl an benötigen Futterküken schwindlig werde. Auch die Zoos müssen ihren Bedarf an Futterküken dringend reduzieren, „ansonsten kann es ja genau so weiterlaufen wie vorher und das wollen wir nicht“, sagte sie. Dr. Dominik Fischer entgegnet der SPD Politikern, dass die Futterpläne der Tiere so aufgestellt sind, dass diese in den Zoos nicht nach unten korrigiert werden können. Außerdem erklärte er, dass Geflügelteile nicht einer Ganzkörperfütterung entsprechen können.

Nach dieser Expertenanhörung waren die Mitarbeiter des Verband der Zoologischen Gärten (VdZ) erschüttert über die Unwissenheit der Politiker und Politikerinnen, wie die Pressestelle auf Anfrage mitteilt. Besonders fassungslos wären sie von dem Vorschlag der Politik gewesen,

Geflügelschlachtabfälle als Alternative zu füttern.

Die Abstimmung

Am 20. Mai 2021 wurde über den Gesetzentwurf der Bundesregierung im Plenum des Deutschen Bundestages abgestimmt. Einzig die AfD warnte vor der Einführung des Gesetzes und kritisierte, dass es keine Ausnahme für Futterküken gäbe und Zoos darunter leiden würden. Dafür erhielt der Redner der AfD, Stephan Protschka, Gelächter im Bundestag der anderen Parteien.

Das Gesetz wird beschlossen und im Tierschutzgesetz im Paragraf 4 Absatz C steht nun seit dem 1. Januar 2022: „Es ist verboten, Küken von Haushühnern der Art Gallus gallus zu töten.“

Die Macht der Worte

Viele Politiker feiern dieses Gesetzt als großen Erfolg im Tierschutz. Während der Debatten wurde immer wieder vom Vergasen und Schreddern von Küken gesprochen. Tatsächlich werden in Deutschland nach Angaben der Geflügelwirtschaft keine lebendigen Küken geschreddert. Der Bundestagsabgeordnete Gero Hocker ist Sprecher im Ausschuss für Landwirtschaft und Ernährung der FDP-Bundestagsfraktion, er erklärt auf Nachfrage, dass hierbei „kein fachlicher, sondern ein politischer Beschluss getroffen wurde. Es sei gängige Praxis in der Politik, dass bestimmte Praktiken emotional aufgeladen werden. Deshalb wird oft vom ‚Kükenschreddern‘ und nicht vom Kükentöten gesprochen“, sagt Gero Hocker.

Export – Import

Der Zoodirektor und Tierpflegemeister Markus Köchling erklärt auf Nachfrage, dass es sich bei der Tötung mit CO₂ um eine fachgerechte und gängige Tötungsmethode handelt. Für ihn ist es unverständlich, dass die Tötung mit CO₂ bei Schweinen in den Augen der Bundesregierung ethisch vertretbar sei, bei Küken aber nicht.
Er hält das Gesetz für irrsinnig, da der Bedarf an Futterküken nach wie vor unfassbar hoch sei. Er schildert, dass teilweise die männlichen Küken nun ins Ausland, unter anderem nach Polen, exportiert werden, um dort günstiger aufgezogen werden zu können. Gleichzeitig müssten jetzt gefrorene Eintagsküken aus Polen, den Niederlanden oder Spanien importiert werden, um den Bedarf an Futterküken in Deutschland zu decken, sagt Markus Köchling.

So geht es auch

Eine Alternative wäre es, weiterhin das Töten der Küken als Futtertiere zu erlauben. Alle Küken die nicht dafür gebraut würden, dürften nicht getötet werden, denn es gibt verschiedene Möglichkeiten das Töten zu umgehen. Eine Möglichkeit ist die Geschlechtsbestimmung im Brutei („In-ovo-Geschlechtsbestimmung“). Das Bebrüten der Bruteier mit männlichen Embryonen kann dadurch frühzeitig abgebrochen werden. Die Eier werden in der Futtermittelindustrie verwertet. Eine weitere Alternative ist das Zweinutzungshuhn. Also ein Huhn, welches als Eier- und Fleischlieferant genutzt werden kann. Eine weitere Möglichkeit ist es, die männlichen Küken (Bruderhähne) aufzuziehen. Alle Alternativen sind bisher keine optimale Lösung. Denn bis jetzt ist die Geschlechtsbestimmung im Brutei sehr teuer und noch nicht ausgereift, Zweinutzungshühner legen weniger Eier und setzten weniger Fleisch an und die Aufzucht von männlichen Küken ist teurer und Platz intensiv.

Das sagt PETA

Die Tierrechtsorganisation PETA ist mit dem Gesetz nicht zufrieden. Wie Dr. Edmund Haferbeck auf Anfrage sagte, setze sich PETA für eine vegane Lebensweise ein und wolle, dass kein Tier in Gefangenschaft leben muss.

Es muss weitergehen

Für Falkner Hans-Peter Herrmann heißt es jetzt, noch mehr sparen. Durch den Wegfall eines günstigen Grundnahrungsmittels für seine Tiere muss er inzwischen zweimal überlegen, ob er ein neues Tier aufnehmen kann oder nicht. Auf Küken könne er trotzdem nicht verzichten, sagt er. Zähneknirschend öffnet er eine große weiße Kühltruhe in der Futterküche und zeigt die letzten Kartons mit Küken aus dem Jahr 2021. Der Karton ist schon halb leer. Daneben stehen noch weitere Kartons mit kleinen Löchern, aus denen gelbe Federn herausschauen. Es sind die ersten von 2022. Bestellt hatte er eigentlich 30 Kartons, wegen des Kükenmangels habe er nur 15 bekommen – zum Preis von 30, sagt er. Auch er versteht die Logik der Regierung nicht, statt 31 Millionen Küken müssten jetzt eben 62 Millionen Mäuse mehr sterben. Er sieht das Gesetz als Augenwischerei. Von der Politik erhofft er sich so schnell keine bessere Lösung. Welcher Politiker würde sich schon dafür einsetzen, niedliche Küken für Tierfutter zu töten?

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Autor: Lukas Hässner

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